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Plattentips 10/2021

Sounds of Subterrania Mailorder


Die Platte der Woche kommt von Kaleb Stewart aus Gainesville. Sounds of Subterrania empfiehlt dazu den Genuss eines Astra.



Kaleb lernte ich im letzten Jahrtausend kennen. Es war eine Zeit, in der Bands noch den Funken der Revolte versprühten und Konzerte ein kleiner Abenteuerspielplatz waren. Es gab eine aktive Szene und weniger Business und Marketingstrategien. Man spielte noch bei und für Freunde, schlief bei ihnen und frühstückte am nächsten Tag zusammen. Kaleb war mit seiner Band As Friends Rust auf Tour und das Bier, welches wir gemeinsam tranken, war viel, viel zu warm. Zusammen mit seinem Kumpel Chris von Hot Water Music spielte er noch bei den Cro(w)s. Gemeinsam nahmen sie auch das Album „`Til the Medicine Takes“ von den Grey Goose auf. Beide Releases erschienen auf Sounds of Subterrania und weder Cro(w)s noch Grey Goose schafften es je nach Europa. Kaleb arbeitete an einem Soloalbum, zog sich zurück und irgendwann brach der Kontakt ab.
Vor vier Jahren dann eine zaghafte Email und da war es wieder, sofort und ohne Umschweife, dieses Feuer und die Lust, Songs in die Welt zu schleudern, vielleicht auch trotz, oder gerade wegen, der Erkenntnis, daß man älter geworden ist und die Welt sich ein Stück weitergedreht hat. Gerade dieses Weiterdrehen der Welt und das Wissen um die Vergangenheit macht für mich als Label die Arbeit mit Kaleb so spannend. Es war nicht allein die Bereitschaft, für meinen 20-jährigen Labelgeburtstag 7.547 km von Gainesville nach Hamburg zu fliegen, um für Listener und Frankie Stubbs die Shows zu eröffnen. Es war dieses spielen wollen, wie früher, ohne die hippireske Attitüde eines 20-jährigen der glaubt, seine Gitarre kann die Welt verändern. Es war vielmehr die Unzufriedenheit mit dem gesellschaftlichen System, inklusive der Entwicklung der „Szene“, die ihn antrieb und antreibt, den alten Weg der Verbreitung seiner Songs einzuschlagen. Rucksack, Gitarre, ein paar CDs des gemeinsamen Split-Albums mit Tim Holehouse, Bahnticket, das war’s, mehr nicht. Und es funktioniert. Es funktioniert, weil sich einem die Chance eröffnet, wieder Menschen zu begegnen und eben nicht durch ein Team von der Wirklichkeit abgeschottet wird. Diesen Weg sind vor Kaleb auch andere gegangen, keine Frage. Aber was mich fasziniert ist, daß es bei ihm um so viel mehr, als einfache Melancholie geht, es dreht sich um die gefühlte kassandrische Ohnmacht, wenn das Paradies anfängt zu brennen und jede Handlung, auch die eigene, noch zusätzliches Öl ins Feuer gießt. Diese Reflektion und dieses Beschreiben machen die Songs so einzigartig.
Es ist gut, daß wir gemeinsam diesen Weg bestritten .
Meine Platten der Woche widme ich einem Freund und darauf trinke ich dieses schreckliche Astra (Kaleb war, wenn wir durch die Bars von Hamburg zogen, Jever immer zu bitter). Ich vermisse dich.

01. Kaleb Stewart – Tropical Depression LP (Sounds of Subterrania)
Mit Tropical Depression ist Kaleb Stewart ein Singer- Songwriter-Album für die Hardcore Kids der 90er Jahre gelungen. Die Erinnerungen sind präsent und doch, die Welt hat sich weitergedreht, an allen Ecken brennt es. Gründe, die einen früher dazu brachten, eine Band zu gründen und seinen Unmut in die Welt zu schreien, sind heute um ein Vielfaches vorhanden und doch stagniert die Rebellion im Paradies. Und mit ihr ihre Kunst. Lethargie macht sich breit und weitet sich zur Depression aus. Und genau da setzt „Tropical Depression“ an. Dabei geht es bei dem Album um so viel mehr als um die Verklärung der frühen Jahre, es geht um die Reflexion des Ist-Zustandes, um Artikulationen, um den Wunsch der Veränderung und dem gleichzeitigen Verharren im goldenen Käfig. Kalebs Mittel der musikalischen Beschreibung ist Pop. Daß die Tür des Käfigs weit offen steht und sie trotzdem nicht durchschritten wird, ist dabei ein Aspekt. Daß die Texte animieren sollen, darüber nachzudenken und vielleicht doch den Schritt hinauszuwagen, ist ein anderer Aspekt und diesen könnte man dann im geschichtlichen Schluss auch wieder Punk nennen. Aber vielleicht ist das dann auch nicht mehr wichtig, denn die Welt hat sich weitergedreht.


02. Grey Goose - Til the medicine takes (Sounds of Subterrania)
Grey Goose liefern ein kompromissloses Amalgam aus bitterer Qual, temperamentvoller Melancholie und eindringlichen Melodie, alle subtil in eine seltsam, vertraute Traurigkeit gehüllt. Die Musik ist wütend und nachdenklich zugleich, auch weniger aggressiv als bei den Cro(w)s. Kaleb gründete die Band mit Schlagzeuger Bill Clower, Bassist Sean Atwater und Gitarrist Dorian Hargrove , weil er nicht alleine auf der Bühne stehen wollte und weil die Kraft der Songs gepielt als Band noch dringlicher präsentiert werden konnten. Grey Goose ist die Band, für die der Sound von Gainesville so geliebt wurde und wird. Flight 13 schrieb einmal über Kalebs Talent: „Wenige Bands verkraften dabei das fehlen eines Songwriters wie Chris Wollard ... , so gut wie Grey Goose. Für mich jedenfalls eine der besten Scheiben dieses Genres“ Und sie hatten Recht.


03. Cro(w)s - Durty Bunny (Sounds of Subterrania)
Chris Wollard (Hot Water Music) und Bill Clower (Radon), die zu dieser Zeit zusammen lebten, wollten eine Band gründen. Nach einem erfolglosen Versuch, Rumbleseat in eine Rock'n'Roll-Band zu verwandeln, gründeten sie Anfang 2000 The SHERYL CRO (W) MAGS. Um dem Baby eine Ernsthaftigkeit zu geben, gründeten sie ihr eigenes Label und veröffentlichten eine 7“. Mit dieser im Gepäck ging es dann auf Ostküstentour mit Unitas.
Das Unterfangen machte soviel Spaß, daß man die Band mit Kaleb Stewart (As Friends Rust) und James Ross (ebenfalls von Radon) ergänzte und sich in Cro(w)S umbenannte. Natürlich hört man Chris Wollards markante Whiskey Stimme und die Anwesenheit vom frühen Hot Water Musik Spirit ist nicht zu überhören, dennoch entwickelten Cro(w)s ihren eigenen Sound. Düsterer, dreckiger und punkiger.


Spotify Liste zum nachhören


Astra oder wahlweise einen guten Whisky