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Plattentips 42/2020

Sounds of Subterrania Mailorder


Die Platte der Woche kommt von Marie Klock aus Paris. Sounds of Subterrania empfiehlt dazu den Genuss eines Mayahuel.



01. Marie Klock – s/t (Les Disques De La Face Cachee)
Ich habe sie gefunden! Ihr werdet fragen: „Was?“ Und ich werde antworten: „Die legitime Nachfolge von Serge Gainsbourg“. Dieses Debüt hat nicht nur ein unverschämt gutes Artwork, sondern spielt gekonnt die Bandbreite zwischen Chanson, Pop und Data mit einer Nonchalance aus, die ihresgleichen sucht. Nun verstehe ich kein Wort französisch, habe mir aber berichten lassen, daß dieses Spiel mit den Grenzen auch, oder besser gerade, textlich die Stärke der Französin, welche übrigens 5 Jahre Klavier in Berlin studierte, ist. Um es vielleicht genauer zu umreißen, die Schmachtfetzen von Serge Gainsbourg kennt ihr ja alle, aber seine Größe liegt eben genau in der Abstreifung dieser stereotypen Musik und der Hinwendung zu Reggae, Jazz und Hip Hop, genauer gesagt in der Hinwendung zum Experiment. Dieses Spiel mit verschiedenen Stilen ist im möglich, weil ihm die Tatsache bewußt ist, einen eigenen zu besitzen. Genau an diesem Punkt tritt Marie das Erbe an und rettet an dieser Stelle den Chanson vor der reaktionären Volkstümlichkeit, die vielen neueren Interpreten unbewußt innewohnt.
Das ist ein Debüt, zudem ein so herausragendes, daß wir gespannt auf den weiteren Werdegang sein können. Ich zumindest freue mich schon mal auf Album 2..


02. Josephine - Music Is Easy (Dig )
Die Platte ziert ein Cover, was wirklich jeder im Laden stehen lässt und mich eigentlich nur den Kopf schütteln lässt. Was hat sich das New Yorker Trio um die Namensgeberin dabei nur gedacht? Bei genauerer Betrachtung erkenne ich aber die Strategie dahinter, denn diese 10 Folkpop – Powerpop-Perlen werden sich ihren Weg zu den Menschen bahnen und dann wird diese Platte zu einer der meistgesuchtesten des Jahres 2020 werden. Denn spätestens ,wenn Tarantino seinen nächsten an die 70er Jahre angelehnten Film dreht, kommt er um diese Songs nicht vorbei. Der Sound der Platte ist warm, wie ein Super8 Film mit Glam, schönen Melodien und herausragenden kleinen Verbeugungen an die Schönheit des Momentes. Ich würde sogar soweit gehen, daß ich sage, dieses Album ist Erinnerung an das gute Amerika- das der Offenheit, das der Möglichkeiten, das Amerika, das die Menschen und die Natur liebt. Es ist ein Album, welches zum Träumen einlädt und Zuversicht spendet. Und wäre es gerade etwas wärmer, hätte es vielleicht auch auf Platz eins geschafft.


03. Amanda Woodward–s/t (Destructure)
Diese Platte ist schon etwas älter und eine Compilation von allem, was Amanda Woodward je veröffentlichen haben. Nach der Räumung der Liebig 34 katapultiert mich diese Platte in meine Zeit Ende der 90er auf die Konzerte im Göttinger Juzi. Es war die Zeit, in der Solidarität noch wichtiger war als Identität, die Zeit, in der die Bands noch aus dem selben Umfeld kamen, die Zeit, in der Netzwerke Ideen und nicht kapitalgebunden waren und auf Majorlabel und große Indies schissen, die Zeit, in der dich der Sänger mit all seiner Verzweiflung noch anschrie und ich (und vielleicht auch andere) glaubte, wir können die Welt verändern.
Heute glaube ich nicht mehr in dieser Dimension an die Kraft von Kultur. Punk und Hardcore werden zwischen Kommerz und Identität zerrissen. Farbiges Vinyl ist wichtiger als jegliche Botschaft. Nun denn, wir waren bei Amanda Woodward. Als ich diese Platte auflegte, spürte ich all die Kraft, diesen Willen, das System zu zerstören, wieder in mir, die Kraft, gegen die Ungerechtigkeiten in der Welt anzukämpfen, das Gefühl, nicht alleine zu sein, weil da noch andere sind. Das Gefühl, daß die Band mir wirklich was sagen will, daß es da ein Anliegen gibt. Das Gefühl, daß in dieser kalten Welt, nicht alles stumpf ist, das Gefühl, daß es da Orte gibt, an denen ich sein kann ohne etwas sein zu müssen. Ich werde diese Platte jetzt öfter hören, vielleicht bis die Zeit reif ist und wieder mehr Menschen um ihre Orte und Freiräume kämpfen werden.



Spotify Liste zum nachhören



Mayahuel
1 1/4 oz Mezcal
3/4 oz Cointreau
1/4 oz Agave Sirup
3/4 oz Lime Juice

Marie Klock - Allô papa

Josephine - Me and my boys