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Plattentips 52/19

Sounds of Subterrania Mailorder

Die Platte der Woche kommt von den Chacalon Y La Nueva Crema aus Lima. Sounds of Subterrania empfiehlt dazu den Genuss eines veganen Honey and Smoke.

01. Chacalon Y La Nueva Crema – s/t (Magnetica)
Lorenzo Palacios Quispe, genannt Chacalón, ist ein Mythos. Geboren am 26.4.1950 in Lima, wuchs er in sehr armen Verhältnissen auf. Seinen Vater, einen Tänzer, lernte er nie kennen. Seine Mutter, eine Sängerin, zog ihn mit seinen 14 Halbgeschwistern auf. Bedingt durch Armut und den Alkoholismus seiner Mutter verdingte Chacalón sich bereits als Kind als Straßenhändler und lebte von Diebstählen. Mit 15 gründete er seine erste Band „Indios Quechuas“ und arbeite als Gehilfe eines Schuhmachers. Die Musik, die in den Stadtvierteln und Slums von Lima gespielt wurde, war Chicha. Chicha, oder auch Cumbia Andina, ist eine urbane Fusion der kolumbanischen Cumbia der Küste mit dem indianischen Wayno aus dem Andenhochland. Ein Sänger wird von E-Gitarren, Bass, Keyboard oder Synthesizer begleitet und von karibischen Perkussionsinstrumenten wie Bongos und Timbales und mit einer Kuhglocke rhythmisch unterstützt. Die Hauptanforderung, um dieses Musikgenre zu singen, war ein kräftiger Brustkorb, und der junge Lorenzo schien die nötige Lungenkapazität für "Guapeos" zu haben, donnernde Stimmschläge, die das Genre forderte.
Doch zu den Texten. Chicha entwickelte sich als eine Art pan-andines Musikgefühl durch die Suche nach einer gemeinsamen Musik/Ausdrucksform durch die vom Land herbeigezogenen Arbeitsmigranten. Dieses spiegelt sich auch in den Formulierungen wieder, welche nicht so abstrakt wie die der früheren linken Folkloregruppen waren, sondern konkret über die Schwierigkeiten und Probleme der abgewanderten Bauern (campesinos), die in den Slums von Lima und anderen größeren Städten Perus mit Arbeitslosigkeit, Hunger und Elend konfrontiert waren, erzählten.
Chacalón, war einer der radikalsten Poeten dieser Bewegung. Er sang über Schmerz, Alkohol und Verrat, aber auch über Solidarität, Liebe und Hoffnung. Chacalon sang für den am stärksten ausgegrenzten Teil der Gesellschaft, das Lumpenproletariat, und nicht für die Mittelschicht oder die Reichen. Er sah keine Unterschiede zwischen denjenigen, die sich an das Gesetz hielten und denen, die es übertraten, weil das Überleben im entfesselnden Kapitalismus die einzige Regel ist und die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen und anders verlaufen. Diese kompromisslose Haltung schuf den Mythos Chacalón und noch heute jedes Jahr an seinem Geburtstag wird sein Grab zu einem Wallfahrtsort, an dem ergebene Anhänger beten, Wünsche äußern und Wunder erbitten, singen, trinken, tanzen und grillen.

02. Sex on the Beach - Power (Noise Appeal)
Sex On The Beach – “die beste Band Österreichs, mit dem schlechtesten Namen weltweit” schrieb einstmals, genaugenommen 2012, Musicaustria und diesem kann ich fast vollständig zustimmen, zumindest sind sie in meinen Top 5 aller österreichischen Bands vertreten. Nun denn, das Lineup bestehend aus zwei Gitarren, zwei Drum-Sets und einem Keyboard, vereint räudigen Rock genauso wie schräge Elektronik, Sludge genauso wie „Post-Rock“, und was entsteht, ist tanzbar wie auch in höchstem Maße hypnotisch und fesselnd. Sex on the Beach existieren leider nicht mehr. Sie waren beheimatet bei Noise Appeal, welche ein sehr, sehr gutes Händchen für genau diese Spielart moderner Rockmusik haben. Leider verhinderte der Aufstieg der reaktionären austro-nationalen Musikszene, daß sich das europäische Augenmerk genau diesen spannenden Bands zuwendete. Also riskiert mal ein Ohr bei Sex on the Beach und den anderen Noise Appeal Bands, es lohnt sehr.

03. Holiday Fun Club – s/t (Sounds of Subterrania)
Ich habe die Platte über die Feiertage mal wieder hervorgekramt und muss sagen, daß ich Holiday Fun Club nach wie vor für die beste aller Post-Postpunk-Bands halte. Die Songs erinnern eben nicht nur an Joy Division, sondern und das ist eben das spannende, vielmehr an Modern English, Bauhaus, Killing Joke, Gang of Four, Wire etc. Natürlich mit sehr viel mehr Drive als die erste Generation aufbringen wollte und auch viel hemmungsloser, nihilistischer, rücksichtsloser vorgetragen und damit eben auch mit einer ganz eigenen Note. Irgendwie hat der Sound teilweise auch was von gitarrendominiertem, kaputtem EBM. Schade, daß die Band ihrer Zeit voraus war und der erneute Boom solcher Postmusik erst später einsetzte.



Honey and Smoke Vegan
3cl Mezcal
3/4 Limette
1 Esslöffel Agavendicksaft
100 ml Ingwerbier